Liesel Christ Biographie: Umfrage

Liesels Bodyguard

Wolfgang Rasch *
 

Wir kannten uns schon lange, aber richtig näher kamen wir uns erst auf Beerdigungen. Immer wenn jemand aus Kultur oder Politik gestorben war, dem wir die letzte Ehre erweisen wollten (oder mussten), trafen wir uns schon in der U 5, die wir die Beerdigungsbahn nannten, und plauderten über dies und das. Diese Gespräche setzten wir dann auf den manchmal endlosen Gängen, hinter dem Sarg her, quer über den Friedhof, fort. Eines Tages, ich weiß nicht mehr, wen wir begruben, erzählte Liesel, dass sie demnächst mit Wolfgang Kaus und Hans Zürn nach Tel Aviv reisen würde, Heinrich Heine stehe auf dem Programm, mehrere Abende für die emigrierten Juden aus Frankfurt.

Ich wollte schon lange nach Israel reisen, hatte das aber nicht allein tun wollen. So nahm ich allen Mut zusammen und fragte Liesel, ob sie was dagegen hätte, wenn ich mitkäme, ich wür­de natürlich meine Reise selbst bezahlen und nicht stören. „Wunderbar“, rief Liesel, „dann sind wir zu viert, also eine Gruppe, und es wird für alle billiger.“

Als wir in Tel Aviv ankamen, stand eine Delegation vom Kulturamt auf dem Flughafen, die Künstler vom Frankfurter Volkstheater zu begrüßen. Es waren aber nur drei angesagt, nun standen plötzlich vier Leute da. Als Liesel die Verwirrung des Empfangskomitees bemerkte, sagte sie schlagfertig: „Das ist mein Bodyguard!“ Dies verwunderte in Israel niemanden, und es wurde für mich eine unvergessliche Reise.

Den „Bodyguard“ kultivierten wir natürlich, kaum nach Frankfurt zurückgekehrt, genüsslich. Als Liesel 1994 die Goetheplakette der Stadt Frankfurt erhielt, ließ ich mir ein Hemd mit der Aufschrift „Liesels Bodyguard“ beschriften und zog so gewandet zur Feier in den Römer. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Heinz Schenk bemerkte: „Was hadd’n die noch alles?!“, und Lia Wöhr, mit der ich sonst vertraulich über „geschwollene Fieß“ redete, würdigte mich keines Blickes.

Liesel aber freute sich diebisch. Sie schickte mir ein Bild mit der handschriftlichen Widmung: „Meinem lieben Bodyguard“.

* Wolfgang Rasch, der damalige Geschäftsführer der Stiftung Buchkunst, begleitete Liesel Christ und ihre Kollegen einmal in besonderer Mission auf einer Gastspielreise nach Israel.

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