Die Flüchtlinge brachten ein stattliches Vermögen mit

425 Jahre Niederländische Gemeinde Augsburger Confession in Frankfurt

Am zweiten Septemberwochenende, wenn die Frankfurter „Niederländische Gemeinde Augsburger Confession“ das 425-jährige Jubiläum feiert, wird sich die Stiftung im Römer ins Goldene Buch der Stiftungen eintragen. Auf dem Hintergrund ihrer eigenen erfolgreichen Einwanderungsgeschichte unterstützt die Gemeinde heute insbesondere Integrationsprojekte.

Frankfurt am Main (pia) Frankfurt hatte sich verspekuliert. Als sich die Stadt nach der Belagerung im Fürstenkrieg 1552 in einer desolaten wirtschaftlichen Lage befand, suchte der Rat nach einem Ausweg – und investierte in Anleihen für den Kupferhandel. Doch das Geschäft schlug fehl, und die Schulden der Stadt stiegen nun ins Unermessliche, bis auf eine Million Gulden im Jahr 1575/76, wofür – bei damals etwa 12.000 Einwohnern – jährlich 44.600 Gulden Zinsen aufgebracht werden mussten. Da kamen dem Rat die protestantischen Glaubensflüchtlinge aus den spanischen Niederlanden eben recht. Von ihrer Ansiedlung in Frankfurt versprachen sich die Stadtoberen einen handfesten wirtschaftlichen Nutzen.

Großer Zustrom aus Antwerpen nach Frankfurt

Bereits um 1560 lebten rund 2.000 Niederländer, Wallonen und Flamen, Lutheraner und Calvinisten, in der Reichsstadt am Main. Nach der Eroberung von Antwerpen durch die spanische Krone 1585 war wieder eine große Flüchtlingswelle zu erwarten. Denn Antwerpens neue Machthaber verlangten von den lutherischen Einwohnern, entweder das Bekenntnis zum katholischen Glauben abzulegen oder innerhalb von vier Jahren aus der Stadt zu ziehen. Daraufhin verließen insgesamt 38.000 Menschen die Metropole an der Schelde, die bis dahin als reichste Handelsstadt und bedeutendster Börsenplatz Europas galt. Sie suchten Zuflucht meist in anderen Handelsorten, wie etwa in Frankfurt, das die niederländischen Kaufleute von ihren Messebesuchen kannten. Angesichts des gewaltigen Zustroms wurde es offenbar nicht nur dem Frankfurter Rat doch etwas bange. Um ankommende und durchreisende Glaubensgenossen aus Antwerpen in Not und Bedrängnis unterstützen und versorgen zu können, mussten daher die Niederländer in Frankfurt ihren eigenen „Almosenkasten“ gründen.

Von Bethmann über Metzler bis Wiesenhütten

Vor 425 Jahren, am Pfingstdienstag, den 31. Mai 1585, stifteten lutherische Glaubensflüchtlinge aus Antwerpen die bis heute bestehende „Niederländische Gemeinde Augsburger Confession“ (NGAC) in Frankfurt. Ursprünglich handelte es sich dabei um eine genossenschaftliche Versorgungskasse, eben jenen niederländischen „Almosenkasten“. In diesen zahlten die Mitglieder halbjährliche Beiträge anlässlich der Messen sowie besondere Spenden bei familiären Ereignissen ein, um aus den Erträgen des gesammelten Kapitals die eigenen Armen, Witwen und Waisen der Gemeinde unterstützen zu können. Dementsprechend konnte – und kann bis heute – nur Mitglied werden und damit einen Anspruch auf Unterstützung erwerben, wer durch Abstammung oder Heirat zur Niederländischen Gemeinde gehörte. Durch Einheirat in die ersten Patrizier- und Bürgerfamilien der Stadt waren aber bald alle wichtigen Altfrankfurter Namen, von Bethmann über Metzler bis Wiesenhütten, in der Gemeinde vertreten.

Belebung von Handel und Gewerbe

Zur raschen Eingliederung der Glaubensflüchtlinge aus Antwerpen in ihrer neuen Heimat Frankfurt trug – neben der „passenden“ Konfession – bei, dass die meisten von ihnen ein stattliches Vermögen mitbrachten. In der wirtschaftlichen Krise der Stadt sorgten sie für die Belebung von Handel und Gewerbe, was allerdings nicht immer konfliktfrei im Zusammen- und Widerspiel mit den alteingesessenen Zünften und Kaufleuten ablief. Auch das brachliegende Immobiliengeschäft in der Stadt kam durch die Niederlassung der reichen Einwanderer wieder in Schwung. Zahlreiche Häuser in der Altstadt, die krisenbedingt lange leer gestanden hatten, wurden nun von Niederländern erworben, erhalten oder auch neu errichtet, wodurch die „Neufrankfurter“ schnell nachhaltig das Stadtbild prägten.

Aus dem Almosenkasten wurde eine Stiftung

Die Tradition ihrer Familien wie der Stadt Frankfurt pflegen die derzeit rund 300 Mitglieder in der Niederländischen Gemeinde als einer „Nachkommenvereinigung und Erinnerungsgemeinschaft“. Den alten „Almosenkasten“ setzen sie seit 1998 in der modernen Form einer Stiftung für gemeinnützige und mildtätige Zwecke fort. Am zweiten Septemberwochenende, wenn die Gemeinde bei ihrer diesjährigen Versammlung das 425-jährige Jubiläum feiert, wird sich die Stiftung „Niederländische Gemeinde Augsburger Confession“ bei einem Festakt im Römer ins Goldene Buch der Stiftungen eintragen. Im Andenken an ihre eigene erfolgreiche Integrationsgeschichte unterstützt sie heute besonders auch Projekte, die sich die Förderung und Eingliederung von Zuwandererkindern in sprachlicher und in sozialer Hinsicht zur Aufgabe gemacht haben.

Pflege des kulturellen Erbes der Stadt

Ein weiterer Schwerpunkt der heutigen Stiftungsarbeit besteht darin, das kulturelle Erbe der Stadt Frankfurt zu pflegen und in entsprechenden Projekten – etwa in Kooperation mit dem Historischen Museum und der Frankfurter Bürgerstiftung – zu fördern. Passend zu ihrem Jubiläum kümmert sich die Niederländische Ge-meinde aber erst einmal um ihre eigene Geschichte. Zu deren Erforschung finanziert sie derzeit ein Promotionsstipendium. Die Ergebnisse sollen im kommenden Jahr als Buch erscheinen.

Sabine Hock

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 26.08.2010

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