Ein Haus für Kunstliebhaber

Vor 25 Jahren wurde das Steinhausen-Haus zum Museum

Der Maler Wilhelm Steinhausen (1846-1924) lebte mit seiner Familie von 1885 bis zu seinem Tod in einem eigens für ihn errichteten Haus im Frankfurter Westend. Seit 1987 ist das Steinhausen-Haus in der Wolfsgangstraße 152 ein kleines Museum zu Leben und Werk des Künstlers. Steinhausens dortiges Atelier gilt als das einzige erhaltene Maleratelier aus dem 19. Jahrhundert in der Rhein-Main-Region.

Frankfurt am Main (pia) Eine Reisebekanntschaft veränderte sein Leben. Auf der Rückfahrt von Rügen 1876 traf der Maler Wilhelm Steinhausen den Frankfurter Architekten Simon Ravenstein. Dieser suchte einen Dekorationsmaler, der Fassaden und Innenräume der von ihm erbauten Häuser gestalten könnte. Er hatte auch gleich einen Auftrag für den Künstler: Steinhausen sollte Ravensteins Speisezimmer ausmalen. So zog Steinhausen noch im selben Jahr nach Frankfurt, das ihm, der in Sorau in der Niederlausitz geboren und in Berlin aufgewachsen war, zur neuen Heimat wurde. 1885 erwarb Steinhausen für sich und seine Familie ein von Ravenstein erbautes Wohnhaus in der Wolfsgangstraße 152 im Westend, damals ganz am Rande der Stadt im Grünen gelegen. Dort lebte und arbeitete der Maler bald Tür an Tür mit seinem Kollegen und Freund Hans Thoma, der im folgenden Jahr das benachbarte Reihenhaus kaufte. Eigentlich wollte der Architekt Ravenstein sogar eine ganze Künstlerkolonie in der Umgegend ansiedeln, aber es blieb bei den zwei Malerhäusern, die im zweiten Stock jeweils über ein großes Atelier mit Nord- und Oberlicht verfügten. Beide Häuser stehen bis heute, doch nach Thomas Wegzug 1899 wurde dessen Atelier zurückgebaut. Das Atelier im Steinhausen-Haus ist als einziges Maleratelier aus dem 19. Jahrhundert in der Rhein-Main-Region erhalten.

Vom Atelier zum Museum

Vor 25 Jahren, am 3. November 1987, wurde das Steinhausen-Haus als Museum eröffnet. Wer hier an der schweren Haustür aus dunklem Holz klingelt, kann sich noch immer so fühlen, als käme er bei dem Maler zu Besuch. Im Erdgeschoss, im ehemaligen Wohnzimmer der Familie, grüßen die Steinhausens in Porträts von den Wänden. Der Hausherr Wilhelm Steinhausen ist auf einem Selbstbildnis von 1910 zu sehen. Im früheren Speisezimmer nebenan wird insbesondere Steinhausen als Landschaftsmaler vorgestellt, etwa mit einigen Bildern aus „Mutters Galerie“, einer Sammlung besonders schöner Ansichten, die der Künstler einst seiner Frau Ida geschenkt hat. Die dekorativen Auftragsarbeiten, die Steinhausen vor allem in seinen frühen Frankfurter Jahren in Zusammenarbeit mit Ravenstein und Thoma für hiesige Neubauten schuf, sind im Wintergarten durch den Entwurf eines Sgraffitos für eine Hausfassade repräsentiert. Die gezeigten Abgüsse von vier Planetenköpfen, die Steinhausen für die Fassade des 1882 erbauten Hauses „Zum Kaiser Karl“ an der Hauptwache ausführte, lassen ahnen, warum die Frankfurter dieses Gebäude einst das „Fratzeneck“ nannten. Es wurde, wie die meisten Bauten mit dekorativen Arbeiten von Steinhausen, im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Protestantische Kunst aus neuer Sicht

Nach einem Blick in den kleinen Garten hinter dem Haus, wie ihn Steinhausen selbst auf einem Ölbildchen links neben der Wintergartentür festgehalten hat, geht es durch das holzgetäfelte Treppenhaus hinauf. Den Weg, vorbei an der vermieteten Wohnung im ersten Stock, säumen zahlreiche Zeichnungen und Entwürfe mit religiösen Motiven. Bis heute gilt Steinhausen als einer der wichtigsten Vertreter einer neuen Auffassung protestantischer Kunst in Deutschland. Auch im Atelier im zweiten Stock hängen viele religiöse und biblische Darstellungen, darunter eine Entwurfszeichnung zu „Christus, der Lehrer“. Steinhausen hat das Motiv als zentrales Bild seiner Wandgemälde in der Aula des Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums, des heutigen Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums, ausgeführt. Seine von 1900 bis 1904 geschaffenen Fresken dort, die die Ideale der antiken und der christlichen Lehre gegenüberstellen, sind erhalten. Dagegen ist die zweite große raumgestaltende Arbeit Steinhausens in Frankfurt, die Ausstattung der Lukaskirche in Sachsenhausen mit einem Zyklus von 21 Gemälden (1913-18), im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Zur Anfertigung der größtenteils monumentalen Gemälde für die „Bilderkersch“ (wie die Lukaskirche später im Volksmund hieß) war das Atelier in der Wolfsgangstraße allerdings zu klein, so dass Steinhausen meist in seinem zusätzlich angemieteten Atelier im Städel daran arbeitete. Finanziert wurde das wahrhaft große Projekt von Rose Livingston, der Mäzenin des Malers, die in seinem Haus, nicht nur als Büste auf dem Schreibtisch im Atelier, vielfach präsent ist. Sie hat dem Künstler auch die Errichtung der kleinen Sternwarte auf dem Dach des Hauses in der Wolfsgangstraße ermöglicht.

Spürbare Werkstattatmosphäre

Noch immer ist in Steinhausens Atelier die Werkstattatmosphäre zu spüren. Als wäre der Maler selbst nur kurz hinausgegangen und würde gleich wiederkommen, steht da seine Staffelei, liegen Palette und Pinsel auf dem Tisch. An der Wand hängen ein paar seiner „Tagebuchblätter“, kleinformatige Ölbilder von Landschaften, die er als Vorstudien für große Gemälde direkt in der Natur auf Holzbrettchen oder Pappe gemalt hat. In dem großen Wandschrank lagern wohlgeordnet seine Skizzenbücher und das bis heute unschätzbar wichtige „Malerhauptbuch“, in dem jedes vollendete Gemälde mit seinem Verbleib und gegebenenfalls dem Kaufpreis genau verzeichnet wurde. In der kleinen Archivkammer sind zahlreiche Zeichnungen und Entwürfe sauber abgelegt, die es ermöglichen, sich heute ein Bild von Steinhausens kriegsbedingt verlorengegangenen Werken, etwa in der Lukaskirche, zu machen. Außerdem gehören die Bibliothek und die Korrespondenz Steinhausens zu den Sammlungen des Hauses. Dass das Steinhausen-Haus weitgehend unverändert erhalten blieb, ist zwei Töchtern des Malers zu verdanken.

Mit Tradition in die Zukunft

Nach dem Tod von Wilhelm Steinhausen 1924 wurde sein Erbe unter seinen sechs Kindern aufgeteilt. Die jüngsten, unverheirateten Töchter, Rose und Ida-Luise Steinhausen, blieben im Elternhaus wohnen, wo sie einen Teil des Nachlasses als „Steinhausen-Archiv“ verwalteten. Sie wollten das Werk des Vaters auf Dauer zusammenhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Daher gründete Rose Steinhausen 1978 eine gemeinnützige Stiftung. Unter der Trägerschaft dieser Steinhausen-Stiftung und mit Unterstützung der Stadt Frankfurt öffnete sich das Malerhaus in der Wolfsgangstraße 1987 für Kunstliebhaber und -forscher. Auch künftig will die Steinhausen-Stiftung, seit kurzem unter neuer Leitung, ihre Tradition pflegen. Dafür bürgen die Kunsthistorikerin Maraike Bückling als Vorstandsvorsitzende und Constantin Paquet als Geschäftsführer, die beide direkte Nachfahren von Steinhausen sind. Sie wollen das historische Erbe der Stiftung attraktiv für die Zukunft machen. In einem ersten Schritt ist die Steinhausen-Stiftung im März dieses Jahres online gegangen. Als nächstes steht die Renovierung des Hauses an, wovon sich Maraike Bückling auch die Freilegung historischer Ausstattungselemente wie Wandvertäfelungen im Atelier erhofft. Weitere Projekte sind die Erstellung eines kleinen Museumsführers und die Erfassung von Steinhausens sämtlichen Werken in einer Datenbank. So schnell wird es den Erben und Erforschern des Malers jedenfalls nicht langweilig werden. Wilhelm Steinhausen hat ihnen ein umfangreiches und vielseitiges Gesamtwerk hinterlassen.

Sabine Hock

Nach telefonischer Vereinbarung unter der Nummer 069/59 72 326 ist das Steinhausen-Haus, Wolfsgangstraße 152, 60322 Frankfurt am Main, jederzeit zu besichtigen. Eintritt: für Erwachsene 5 Euro, für Gruppen pro Person 3 Euro, für Kinder und Studenten frei.
Weitere Informationen unter: www.steinhausen-stiftung.de

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 23.10.2012

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