Zum 250. Geburtstag von Friedrich Maximilian Klinger

Der Sturm- und Drang-Dichter wurde in Frankfurt geboren

Der Titel eines seiner Bücher hat einer ganzen literarischen Epoche ihren Namen gegeben: „Sturm und Drang“ hieß ein frühes Werk des in Frankfurt vor 250 Jahren geborenen Friedrich Maximilian Klinger. In Klingers Elternhaus in der Frankfurter Rittergasse trafen sich die Stürmer und Dränger, darunter auch der junge Goethe.

Frankfurt am Main (pia) „Und siehe, es saßen die Narren im Rat, und die Toren ratschlagten im Gerichte.“ Dieser Bibelspruch habe einst in unauslöschlichen Lettern hinter einer eisernen Tür an der Wand der Ratsstube im Frankfurter Römer gestanden und sei „nur jedem neuen Ratsmitglied unter dem Siegel der Verschwiegenheit als ein Staatgeheimnis“ gezeigt worden. So erzählt Friedrich Maximilian Klinger in seinem Roman „Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt in fünf Büchern“. Darin entlarvt der Buchdrucker Johannes Faust mit Teufels Hilfe den Rat und alle Honoratioren der Reichsstadt als eine Ansammlung eitler Toren und hinterlässt zur ewigen Erinnerung daran eben jenen Spruch an der Wand. Obwohl der Verfasser in einer Fußnote vorsichtshalber darauf hinwies, dass dieses „Drama“ am Ende des 15. Jahrhunderts spiele und „folglich keinen der jetzt Lebenden beleidigen“ könne und solle, ließ er sich nach Erscheinen seiner scharfzüngigen Politsatire 1791 lieber nicht mehr in seiner Vaterstadt Frankfurt blicken.

Vor 250 Jahren wurde Friedrich Maximilian Klinger in Frankfurt am Main geboren. Das genaue Geburtsdatum des seinerzeit berühmten und heute fast vergessenen Schriftstellers ist nicht überliefert. Im Kirchenbuch ist lediglich verzeichnet, dass Klinger am 18. Februar 1752 getauft wurde. Nach dem frühen Unfalltod des Vaters, des Stadtsoldaten Johannes Klinger, lebte die Mutter in äußerst ärmlichen Verhältnissen, brachte sich und ihre drei Kinder als Wäscherin und Krämerin durch. Auch der Sohn musste schon früh dazuverdienen, etwa als Kurrendesänger, Heizer und Nachhilfelehrer am Gymnasium. Noch während seiner Gymnasialzeit, um 1771, lernte Klinger den nur zweieinhalb Jahre älteren Goethe kennen, der in Frankfurt mit seiner glühenden Rede „Zum Schäkespears Tag“ am 14. Oktober 1771 das Fanal zum Aufbruch in eine neue literarische Epoche gab: Die „Geniezeit“, die entgegen der vernunftbetonten Aufklärung ganz auf die schöpferische Kraft des entfesselten Gefühls setzte und deshalb später - mit dem Titel des berühmtesten Dramas von Klinger - auch treffend „Sturm und Drang“ genannt wurde.

Klingers Elternhaus in der Rittergasse, der heutigen Klingerstraße nahe der Zeil, wurde zum „Hauptquartier der Genieperiode“ (Ernst Beutler). Hier, im „rauchigen Stübchen“, traf sich jeden Sonnabend der Kreis der Frankfurter „Stürmer und Dränger“, wozu neben Goethe und Klinger etwa der Advokat und Schriftsteller Heinrich Leopold Wagner, Goethes Jugendfreunde Horn und Riese sowie die Brüder Schlosser gehörten. Klingers Schwester Agnes war die gefeierte Schönheit des Kreises.

Im April 1774, als Goethe mit seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ das Meisterwerk des „Sturm und Drang“ vollendete, ging Klinger zum Jurastudium nach Gießen. Um dieselbe Zeit begann er selbst erfolgreich zu schreiben. Im Sommer 1774 verfasste er sein erstes Stück, das Ritterdrama „Otto“, und um die Jahreswende 1774/75 schrieb er in Frankfurt innerhalb von vier Tagen das bürgerliche Trauerspiel „Das leidende Weib“, dessen Hauptfigur er nach dem Vorbild einer Frankfurter Geliebten gestaltet haben soll. In den nächsten Jahren ließ Klinger Drama auf Drama folgen, insgesamt neun Stücke bis 1777, die ihn als einen der bedeutendsten Dramatiker des „Sturm und Drang“ ausweisen.

Nach dem Abbruch seines Studiums im Jahr 1776 suchte Klinger, nicht zuletzt im Interesse seiner eigenen schriftstellerischen Karriere, erneut Goethes Nähe. Doch in Weimar, wo Klinger von Juli bis Oktober 1776 lebte, kam es zum Bruch zwischen den beiden. Goethe hatte die Genieperiode damals bereits überwunden und empfand den früheren Freund daher „wie einen Splitter im Fleisch“: „Er schwürt und wird sich herausschwüren, leider...“ Auch war der „etwas unpoetische Plage- und Poltergeist“ (so Jean Paul einmal über Klinger) der Weimarer Gesellschaft nicht ganz geheuer. Man sagte ihm nach, dass er sich betrug wie ein Mensch aus einer anderen Welt, rohes Fleisch aß und gar Löwenblut schlürfte.

Nach einem Zwischenspiel als reisender Theaterdichter einer Schauspieltruppe trat Klinger in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Soldat, zunächst in österreichischen, seit 1780 in russischen Diensten. Nicht zuletzt dank seiner Heirat mit einer russischen Adligen, die eine illegitime Tochter von Katharina der Großen gewesen sein soll, stieg er bis zum Generalleutnant (1811) auf und bekleidete höchste militärische sowie bildungspolitische Ämter. Auch als Offizier blieb Klinger literarisch tätig. So arbeitete er in den 1790-er Jahren an einem ambitionierten Romanzyklus über seine Sicht der Welt, den er mit dem eingangs erwähnten „Faust“-Roman begann und mit neun weiteren Romanen fortsetzen wollte (von denen er allerdings nur sieben vollendete).

Im Zuge der beginnenden Restauration in Russland musste Klinger seine Ämter 1816/18 aufgeben und 1820 seinen Abschied aus russischen Diensten nehmen. Er starb 1831, wahrscheinlich am 25. Februar in Dorpat, denn wie sein Geburtsdatum ist auch sein genaues Sterbedatum nicht zu ermitteln. Als Goethe, mit dem sich Klinger 1811 versöhnt hatte, die Todesnachricht erhielt, sagte er: „Das war ein treuer, fester, derber Kerl wie keiner.“

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 3 vom 29.01.2002

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