Der Kolumbus des Atoms

Am 8. März wäre Otto Hahn 125 Jahre alt geworden

Er machte eine der folgenschwersten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts, die Kernspaltung, die die Entwicklung der Atombombe möglich machte. 1944 bekam Otto Hahn für seine wissenschaftliche Leistung den Nobelpreis. Der in Frankfurt geborene Chemiker hat sich jedoch unermüdlich gegen einen militärischen Missbrauch der Atomwissenschaft eingesetzt.

Frankfurt am Main (pia) Seine Karriere begann in Mutters Waschküche. Dort, im Keller seines Elternhauses in der Töngesgasse, beschäftigte sich der 15 Jahre alte Oberrealschüler Otto Hahn mit ersten chemischen Spielereien, „kleinen, (...) keineswegs tiefgründigen Experimenten, bei denen es ein bisschen knallen und stinken musste“, wie er einmal erzählte. Die Lust, aber auch die Sorgfalt beim Experimentieren führten später den Wissenschaftler auf seinem Fachgebiet der Radiochemie von Erfolg zu Erfolg - bis hin zur Entdeckung der Kernspaltung, die ihm zusammen mit Fritz Straßmann in Berlin 1938 gelang. Für diese wissenschaftliche Leistung erhielt Hahn den Nobelpreis für Chemie des Jahres 1944.

Vor 125 Jahren, am 8. März 1879, wurde Otto Hahn in Frankfurt am Main geboren. Er war der jüngste von vier Söhnen des Glasermeisters Heinrich Hahn, des Begründers der renommierten Firma „Glasbau Hahn“, der seine Söhne gerne alle in einem „praktischen“ Beruf gesehen hätte. So sollte Otto Architekt werden. Doch der Junge hatte einfach kein Zeichentalent. Statt dessen interessierte er sich ernsthaft für die Chemie. Als Oberprimaner belegte er sogar ein Abendkolleg über „Organische Farbstoffe“ im Physikalischen Verein. Nach dem Abitur an der Klinger-Oberrealschule verließ Otto Hahn seine Vaterstadt, um Chemie und Mineralogie in Marburg und München zu studieren.

Nach seiner Promotion 1901 ging Hahn nach London (1904), wo er im Laboratorium des Nobelpreisträgers Sir William Ramsay mitarbeitete. Ramsay beschäftigte den jungen Kollegen mit einer kleinen radiochemischen Aufgabe, obwohl dieser einwandte, dass er von Radioaktivität nicht allzu viel verstünde. Dennoch löste er das Problem innerhalb nur weniger Monate durch die Entdeckung eines neuen Stoffs, des Radiothoriums. Auf Ramsays Rat entschloss sich Hahn daraufhin, in der Forschung zu bleiben. Bei dem Kernphysiker Ernest Rutherford in Kanada bildete er sich in der Radiochemie weiter. Noch während seines dortigen Aufenthalts 1905/06 fand Hahn das Radioactinium und das Thorium C1.

Bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland, wo Kernphysik und Radiochemie noch völlig neue Fachgebiete waren, habilitierte sich Otto Hahn 1907 in Berlin. Dort arbeitete er zunächst am Institut von Emil Fischer, dann ab 1912 am neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. Vor allem in der kongenialen Zusammenarbeit mit der Physikerin Lise Meitner gelangen ihm weitere wichtige Entdeckungen, u. a. des Protactiniums (1917) und der Kernisomerie (1921).

Ab 1934 experimentierten Hahn, Meitner und ihr Mitarbeiter Fritz Straßmann mit der Bestrahlung von Uran durch Neutronen. Die Versuche gipfelten am 17. Dezember 1938 in der eher zufälligen Entdeckung der Urankernspaltung. Hahn beschrieb das sensationelle Versuchsergebnis in einem Brief an Lise Meitner, die inzwischen vor der nationalsozialistischen Judenverfolgung in die Emigration nach Stockholm hatte fliehen müssen. Meitner und ihr Neffe Otto Robert Frisch lieferten innerhalb kürzester Zeit die physikalische Erklärung für den geschilderten Vorgang. Schon zu Beginn des Jahres 1939 publizierten Hahn und Straßmann ihre Entdeckung, die sich bald als die folgenschwerste des 20. Jahrhunderts erweisen sollte: Sie ermöglichte die Entwicklung der Atombombe.

„Wenn Hitler durch meine Entdeckung eine Atombombe bekommt, bringe ich mich um!“, soll Otto Hahn bereits 1939 zu seinem ehemaligen Mitarbeiter Carl Friedrich von Weizsäcker gesagt haben. Hahn, der seine Berliner Professur aus Abscheu vor einer Politisierung der Universität 1933 niedergelegt hatte, reagierte entsetzt auf den Abwurf der ersten Atombomben, wovon er während seiner Internierung in England 1945 erfuhr. Fast gleichzeitig erhielt er die Nachricht, dass ihm der Nobelpreis für Chemie des Jahres 1944 verliehen worden sei.

Nach dem Krieg engagierte sich Hahn, der nun als Präsident der von ihm aufgebauten Max-Planck-Gesellschaft (1948-1960) in Göttingen lebte, unermüdlich gegen einen militärischen Missbrauch der Atomwissenschaft. Im Jahr 1957 unterzeichnete er zusammen mit 17 anderen deutschen Wissenschaftlern die „Göttinger Erklärung“ gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr. Trotz seines hohen Alters unterstützte er tatkräftig die Initiative seines amerikanischen Kollegen Linus Pauling gegen eine Verseuchung der Welt durch Atombombenversuche, die 1963 zum Teststoppabkommen und 1968 zum Atomwaffensperrvertrag führte.

Am 28. Juli 1968 starb Otto Hahn in Göttingen. Er wurde an der Seite von Max Planck auf dem Göttinger Stadtfriedhof beigesetzt. Seine Vaterstadt Frankfurt am Main hatte ihn anlässlich seines 80. Geburtstags 1959 zum Ehrenbürger ernannt. In seinem Herzen sei er „immer Frankfurter geblieben“, bekannte Otto Hahn bei diesem Anlass. Zu seinem Gedenken errichtete die Stadt ein kleines Denkmal, das an der Stelle seines 1944 zerstörten Geburtshauses in der Bockgasse 17 (direkt neben dem Eingang zur Kleinmarkthalle in der heutigen Ziegelgasse) steht.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 6 vom 17.02.2004

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