Illustre Totenstätte und Kulturdenkmal

Mit dem „Projekt Peterskirchhof“ wird der alte Frankfurter Friedhof saniert

Hier sind auch Goethes Eltern bestattet. Nachdem der Petersfriedhof über fast vier Jahrhunderte der Hauptbegräbnisplatz der Stadt war, geriet er lange Zeit in Vergessenheit und verfiel. Die Sanierung dieses Ortes von besonderem kulturhistorischen Rang in Deutschland, wenn nicht gar in Mitteleuropa, hat in den letzten Monaten entscheidende Fortschritte gemacht.

Frankfurt am Main (pia) „Tritt hinzu und lese dieses und lerne im Leben den Tod bedencken, dies erinnert dich der allhier in Gott ruhende Herr Johann Zickwolf“, so mahnte der 1746 verstorbene „Burger und Handelsmann“ auf seinem Grabstein die Hinterbliebenen. Doch Generationen gingen achtlos vorbei, wussten nichts mehr von dem alten Peterskirchhof, der fast vier Jahrhunderte lang der Hauptbegräbnisplatz der Stadt gewesen war. Nach seiner Schließung 1828 war der Friedhof, trotz seiner zentralen Lage in der Innenstadt, schnell in Vergessenheit geraten und dem Verfall preisgegeben. Seit Jahrzehnten kümmerte sich niemand mehr um die verwahrlosende Totenstätte, die sich auf den flüchtigen Blick von der Stephanstraße aus nur noch wie eine beliebige Grünanlage darbot. So toste hier tagtäglich der Verkehr vorbei, und keiner bemerkte den Tod, der von den verwitterten Grabsteinen die Passanten anblickte, unverwandt, das Stundenglas in der erhobenen Rechten.

Zum Goethejahr 1999 rückte der Petersfriedhof wieder in den Blickpunkt, weil damals daran erinnert wurde, dass hier auch Goethes Eltern bestattet sind. Beim genaueren Hinsehen offenbarte sich der besondere kulturhistorische Rang des Ortes in Deutschland, wenn nicht gar in Mitteleuropa: Es handelt sich um den letzten bedeutenden Friedhof einer Reichsstadt, der noch eine relativ große Anzahl von Grabdenkmälern aus dem 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert birgt. Vor fünf Jahren lief somit das „Projekt Peterskirchhof“ an, das das Historische Museum mit Unterstützung seines Fördervereins, der Historisch-Archäologischen Gesellschaft, betreut. Unter dem Einsatz von Björn Wissenbach, dem Volontär des Museums, der an einer Dissertation über den Peterskirchhof arbeitet, machte die Sanierung gerade in den letzten Monaten entscheidende Fortschritte. Schon zeigt das unlängst noch verkommene Grüngelände ansatzweise wieder den Charakter eines gepflegten Friedhofs.

Vor mehr als 550 Jahren, um 1452, wurde der Petersfriedhof vor der etwa drei Jahrzehnte früher errichteten St. Peterskirche geweiht. Ein weiterer Friedhof in der Stadt war nötig geworden, weil der Platz rund um den Dom, bisher allgemeine Begräbnisstätte in Frankfurt, überfüllt war. Doch schon nach 50 Jahren reichte auch der neue Kirchhof nicht mehr aus. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der Petersfriedhof daher nach Westen erweitert bzw. verlegt. An den Mauern des 150 Meter langen und 80 Meter breiten Grundstücks waren 212 Erbbegräbnisse aufgereiht. Dazwischen lag das „gemeine Feld“, der Begräbnisplatz für die Ärmeren, in dessen Mitte sich seit 1511 die Kreuzigungsgruppe von Hans Backoffen erhob.

Auf dem Petersfriedhof, der noch zweimal (1626 und 1746) erweitert werden musste, wurden außer Goethes Eltern zahlreiche weitere bedeutende Frankfurter Persönlichkeiten bestattet, etwa der Buchdrucker Christian Egenolff, der Kupferstecher Matthäus Merian, der Stifter Johann Friedrich Städel und der Bankier Simon Moritz von Bethmann. Dennoch wurde der Kirchhof, entgegen früherer Zusagen einer hundertjährigen Ruhefrist, bereits ab 1870 im Interesse einer modernen Stadt- und Verkehrsplanung zerstört. Dem Bau der neuen Peterskirche (1892), der Stephanstraße (1904), der Liebfrauenschule (1909) und der Diamantenbörse (1974) fielen ungefähr zwei Drittel des alten Friedhofgeländes zum Opfer. So befindet sich das Grab von Frau Aja, Goethes Mutter, heute im Pausenhof der Liebfrauenschule.

Der Sanierung des erhaltenen Friedhofsrests widmet sich seit 1999 das „Projekt Peterskirchhof“. Zunächst konnte, auch dank der Hilfe von Sponsoren, eine ganze Reihe besonders wertvoller Grabmale restauriert werden. Das Sanierungskonzept geht aber über die Erhaltung einzelner Epitaphien weit hinaus. Mit einer gerade vollendeten „Musterecke“ an der Westseite zur Brönnerstraße hin wird jetzt demonstriert, wie die Gesamtanlage einmal aussehen soll. Hier wurden die beim Straßenbau verschütteten Postamente der Erbbegräbnisse an der Mauer wieder freigelegt, oft auch die Schriften auf den Grabsteinen erneuert und zwei Beispiele für die geplante Beschilderung zur kulturhistorischen Erläuterung der Grabstätten angebracht. Im vergangenen Frühjahr wurde außerdem die seit 1979 demolierte Kreuzigungsgruppe an der Stephanstraße restauriert und die dahinter verlaufende Quermauer saniert. Geplant ist u. a. ein „Skulpturengarten“ im hinteren Friedhofsteil unterhalb der Peterskirche, wohin Epitaphien, die früher in das Magazin des Historischen Museums gebracht wurden, zurückgeführt werden sollen.

Bevor jedoch der neu gestaltete alte Friedhof zum Verweilen einladen wird, ist eine Flächengrabung unter archäologischen, anthropologischen und soziologischen Aspekten vorgesehen. Dabei könnte die bisher unbekannte Wahrheit über den einfachen Frankfurter früherer Zeiten ans Licht kommen.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr.45 vom 15.11.2004

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