Deutsche Einheit in Freiheit war das Ziel der Nationalversammlung

Feierlich zogen am 18. Mai 1848 die Abgeordneten der Deutschen Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche ein. Als Mitglieder des ersten frei gewählten deutschen Parlamentes wollten sie die Ziele der vorangegangenen Märzrevolution verwirklichen und die Einheit Deutschlands in Freiheit schaffen.

„Eine bedeutungsvolle Stunde!“ notierte die Frankfurterin Clotilde Koch nach der ersten Sitzung, die sie als Zuschauerin von der Galerie der Paulskirche aus erlebte. „Aber ihr folgte ein entsetzlicher Skandal!“ Die Abgeordneten konnten sich einfach nicht über die Tagesordnung einigen. „Zank, Toben und Streit“ (so wieder Clotilde Koch) fanden erst am nächsten Tag ein Ende, als Heinrich von Gagern zum Präsidenten der Nationalversammlung erkoren wurde.

Danach schritt die Parlamentsarbeit zunächst zügig voran. Bereits am 26. Mai nahm der Verfassungsausschuß seine Arbeit auf. Schon eine Woche später legte er seinen ersten Grundrechtsentwurf vor, der ab dem 19. Juni dann im Plenum in der Paulskirche heiß diskutiert wurde.

In jenen Tagen wurde auch die Ablösung des Bundestags, der obersten Behörde des alten Deutschen Bundes, durch eine „Provisorische Zentralgewalt“ beschlossen. Am 29. Juni wählte die Nationalversammlung Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser. Als provisorisches Staatsoberhaupt zog der Fürst, der wegen seiner Volksnähe auch bei den Demokraten beliebt war, am 12. Juli unter dem Jubel der Bevölkerung in Frankfurt ein.

Dramatische Straßenkämpfe

Im Herbst jedoch kam es zur ersten schweren Krise der Nationalversammlung. Auslöser war die negative Entwicklung in der schleswig-holsteinischen Frage. Daß das Parlament wider die deutschen Interessen dem Waffenstillstand von Malmö zustimmen mußte, erregte den Unmut der Bevölkerung. Am 18. September versuchte eine empörte Menge, die Paulskirche zu stürmen, und Aufständische bauten Barrikaden in der Stadt. Zur Unterstützung gegen die Insurgenten wurden Truppen aus Mainz und Darmstadt herbeigerufen. Es kam zu erbitterten Straßenkämpfen, in deren Verlauf auch die Abgeordneten Auerswald und Lichnowsky von Revolutionären ermordet wurden. Erst in der Nacht gelang es dem Militär, den Aufstand niederzuschlagen.

Die Nationalversammlung forcierte nun die Diskussion um die Reichsverfassung, die den neuen deutschen Staat konstituieren sollte. In der Paulskirche wurde heftig um die „großdeutsche“ oder die „kleindeutsche“ Lösung gestritten: Sollte man sich mit Großösterreich einschließlich seiner slawischen Landesteile arrangieren oder lieber ganz auf die Donaumonarchie verzichten und dafür auf Preußen setzen? Derweil tobte in Wien und Berlin schon die Gegenrevolution.

Die alten Mächte hatten sich dort bereits wieder etabliert, als die Nationalversammlung in Frankfurt am 28. Dezember die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ verkündete. Die Grundrechte wurden schließlich Teil der neuen Reichsverfassung, die das Paulskirchenparlament am 28. März 1849 verabschiedete. In langwierigen Debatten hatten sich die Abgeordneten endlich auf die „kleindeutsche“ Lösung, ergänzt um ein deutsch-österreichisches Bündnis, verständigt.

Zum neuen Staatsoberhaupt hatte die Nationalversammlung König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gewählt. Doch damit hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Friedrich Wilhelm IV. lehnte am 28. April die ihm angetragene Erbkaiserwürde endgültig ab. Die Nationalversammlung war gescheitert und tagte am 30. Mai 1849 zum letzten Mal in der Paulskirche.

Sabine Hock

In: 1822-Journal, Nr. 2/1998, S. 8

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