Als Frankfurter Großbanken noch in bescheideneren Gebäuden residierten
Frankfurt 1848 - mit 60 000 Einwohnern die größte Stadt der Region. Eine reiche Stadt mit prächtigen Gebäuden, deren Architektur - wie heute die Hochhäuser - die Reisenden erstaunte. Das Bild der Stadt vor 150 Jahren beschreibt FNP-Autorin Sabine Hock.
Frankfurt. Als Wahl- und Krönungsort der deutschen Kaiser bis 1806 hatte Frankfurt eine besondere Tradition, und als Freie Stadt im seit 1815 bestehenden Deutschen Bund genoß es den Ruf einer liberalen bürgerlichen Gesinnung. Es war daher kein Zufall, daß die Stadt am Main zum Tagungsort der Deutschen Nationalversammlung ausersehen wurde, zumal es auch Sitz des Bundestags war.
Diese oberste Behörde des Deutschen Bundes tagte seit 1816 im Palais Thurn und Taxis in der Großen Eschenheimer Gasse, dessen erhaltenes Portal heute zum Fernmeldehochhaus führt.
Wie ein „riesiges Kamelienbukett in einem Kranz von Heidekraut“ sehe Frankfurt „mit seinen weiß, pistaziengrün und rosa angemalten Häusern“ aus, meinte der französische Schriftsteller Alexandre Dumas als er die Stadt 1838 besuchte. Tatsächlich wurde das damalige Stadtgebiet von einem breiten Grüngürtel begrenzt, dem bis heute geschützten Anlagenring, der von 1805 bis 1812 durch das Schleifen der Befestigungsanlagen entstanden war. Den Ring entlang, in den Wallstraßen, reihten sich seit den 1820er Jahren helle, großzügige Wohnhäuser in klassizistischer Bauweise. Auch die Mainfront bot sich ganz in diesem Stil dar, woran jetzt eigentlich nur noch der Portikus der alten Stadtbibliothek an der Obermainanlage erinnert.
Verantwortlich für das neue Frankfurt war Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess. Unter seiner Regie zog der Klassizismus sogar in die Altstadt ein: Mitten in dem ansonsten noch gotischen Kern vollendete er 1833 die Paulskirche, die neue lutherische Hauptkirche. Sie war bereits 1789, damals noch nach barocken Plänen, begonnen worden, aber infolge von Kriegswirren, Geldmangel und Streitigkeiten über ihren Innenausbau jahrzehntelang als die erste Bauruine der Frankfurter Geschichte stehen geblieben. So Hatte sie Goethe 1797 gesehen, und er fand sie „nicht verwerflich, ob (...) gleich im allermodernsten Sinne gebaut“. Doch bemängelte er: „Sie stickt (...) zwischen Gebäuden, die ihrer Natur und Kostbarkeit wegen unbeweglich sind, und will doch von allen Seiten umgangen sein.“ Den freien Platz um die Paulskirche schufen erst die Bomben des Zweiten Weltkriegs.
Eines der wichtigsten Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft der Paulskirche war früher die von 1840 bis 1844 erbaute Börse, die - neben der seit 1240 verbrieften Messe - von Frankfurts frühem Ruhm als Handels- und Bankenstadt zeugte. „Vor allem“, heißt es dazu in einem Reiseführer aus dem Jahr 1843, „(...) hat das hiesige Wechselgeschäft, so wie namentlich der Verkehr mit Staatspapieren aller Art in neuester Zeit einen außerordentlichen Aufschwung erhalten. Frankfurt reiht sich in dieser Beziehung den ersten Handelsplätzen der Welt an, und seine eben erwähnten Geschäfte in Staatspapieren dürften wohl nur denen von London, Amsterdam und Paris an Bedeutung nachstehen.“
Rothschild und Bethmann hießen die beiden Großbanken in der Stadt, die zwar hoch hinaus wollten, aber natürlich nicht in wolkenkratzenden Stahlbetonpalästen residierten, sondern in bescheideneren Gebäuden. Noch machte keiner dem Dom seinen Rang als höchstes Gebäude der Stadt streitig.
Die einzige Mainbrücke, die „Alte“, bekam dagegen Konkurrenz. Im Revolutionsjahr 1848, genau am 15. November, wurde nun die Main-Neckar-Brücke, die heutige Friedensbrücke, eingeweiht - die erste Frankfurter Eisenbahnbrücke. Nun konnten die Reisenden das damals modernste Verkehrsmittel auch von Heidelberg direkt bis nach Frankfurt nutzen. Außerdem gab es seit 1839 die Verbindung mit der „Taunusbahn“ nach Wiesbaden und neuerdings eine nach Hanau. Einen Hauptbahnhof gab's damals noch nicht. Statt dessen hatte jede Linie vor dem Gallustor, jenseits des Anlagenrings, ihren eigenen Bahnhof.
Sabine Hock
FNP, 18.08.1998, S. 12