Frankfurt Macht Mode 1933-1945

Eine Ausstellung über die Geschichte einer ungewöhnlichen NS-Institution

Das Frankfurter Modeamt, das die Stadt im „Dritten Reich“ zur Modemacht am Main aufsteigen lassen sollte, steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Frankfurt Macht Mode 1933-1945“, die vom 18. März bis zum 25. Juli im Historischen Museum zu sehen ist. Sie dokumentiert auch die „Arisierung“ der Bekleidungsindustrie in Frankfurt.

Frankfurt am Main (pia) - Der NS-Oberbürgermeister Friedrich Krebs erteilte Margarethe Klimt, der Leiterin des Frankfurter Modeamts, eine Rüge. Am 19. November 1938 war das neue Haus dieser städtischen Institution eröffnet worden, eine repräsentative Villa in der Neuen Mainzer Straße. Im Mittelpunkt der glanzvollen Einweihungsfeierlichkeiten stand natürlich eine Modenschau, die - entgegen Krebs` Geschmack und Gesinnung - nicht von „guter deutscher Tanzmusik“, sondern von „überflüssigem Jazzgequietsche“ begleitet worden sei.

Die vorgeführten Modelle jedoch, vom schicken Nachmittagskleid über den „anmutigen“ Strandanzug bis zur eleganten Abendrobe, allesamt Schöpfungen des Modeamts, erregten ganz und gar nicht das Missfallen des OB. Die exquisiten Kreationen entsprachen vielmehr der Idee, die Krebs mit der Gründung des Modeamts 1933 verwirklichen wollte: eine „deutsche Mode“ zu schaffen, die international konkurrenzfähig sein sollte. Dirndl und Schneckenfrisur waren nicht gefragt. Statt dessen machte das Modeamt Haute Couture - die es allerdings nach nationalsozialistischer Sprachregelung auf Deutsch „Hochmode“ nennen musste.

Für die Ausstellung „Frankfurt Macht Mode 1933 - 1945“, die im Historischen Museum vom 18. März bis zum 25. Juli zu sehen ist, haben die vier Ausstellungsmacherinnen Almut Junker, Heidi Blöcher, Martha Caspers und Eva Stille zahlreiche Dokumente, Modefotografien, Entwurfszeichnungen und Accessoires aus dem Schaffen des Modeamts zusammengetragen und dokumentieren damit erstmals die Geschichte jener ungewöhnlichen städtischen Einrichtung der NS-Zeit, die bis zum August 1944 bestand.

Die Modeschöpferin Emy Grassegger, nach Klimts Ausscheiden 1943 die wichtigste Mitarbeiterin des Modeamtes, strebte nach dem Krieg unverzüglich eine Neueröffnung an, was ihr mit dem „Institut für Modeschaffen“ 1947 gelang. Grassegger vermachte später ihrer Lieblingsschülerin Luise Kreiling-Stern viele Erinnerungsstücke aus dem alten Modeamt, vor allem fünf riesige Bände mit Zeitungsausschnitten. Außerdem nahm Kreiling-Stern eine Sammlung von Modefotografien an sich, die auf dem Dachboden des Instituts für Modeschaffen in der Mörfelder Landstraße lagerten und vom Hausmeister als „zu schade zum Wegwerfen“ befunden worden waren. Sie bewahrte das Material auf und bot es vor einiger Zeit dem Historischen Museum zur Erforschung und Ausstellung an.

Almut Junker, die für die Textilsammlung des Hauses zuständig ist, machte sich mit ihrem Team an die Arbeit. Sie studierten Akten im Institut für Stadtgeschichte. Sie stöberten auf der Mansarde der Höchster Außenstelle der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode und sie sprachen mit ehemaligen Schülerinnen der Modeklasse. Zwei der älteren Damen hatten sogar die selbst angefertigten Schneiderbüsten aufgehoben, an denen sie einst aus Seidenpapier ihre Modelle aufgesteckt hatten. Und auf der Schulmansarde stand noch ein Schrankkoffer des Modeamts mit dem Etikett „Bitte nicht stürzen!“. Darin wurden einst die Kleider zu den Modeschauen transportiert, auf denen das Amt das „deutsche Modeschaffen“ auch im Ausland (bis 1941) präsentierte. Die Kleider selbst sind heute allerdings verloren. Immerhin fanden sich in der Höchster Dachkammer aber Modelle der einst aufsehenerregendsten Schöpfung des Modeamts: des „gläsernen Schuhs“.

Es handelt sich dabei um luxuriöse Abend- und Nachmittagsschuhe mit hohen Absätzen aus Plexiglas. Das benötigte Plexiglas dafür wurde bei der für den Heeresbedarf tätigen Firma Röhm & Haas in Darmstadt bezogen, wo es als Verschnitt abfiel. Eigentlich wurde nämlich die Idee für den „gläsernen Schuh“ um 1940 aus der Not geboren. Angesichts der kriegsbedingten Materialknappheit, etwa von Naturfaserstoffen und Leder, experimentierte das Modeamt mit Ersatzstoffen, in der NS-Sprache beschönigend „Neue Werkstoffe“ genannt. So entstanden dekorative Gürtel aus Fischleder, verwegene Strandhosen aus gefärbtem Fischernetz und Schuhe mit Plateausohlen aus Kork oder eben mit Absätzen aus Plexiglas.

Der „gläserne Schuh“ war - wie viele Entwürfe des Modeamts - ein exklusives Modell, das nicht für eine breite Käuferinnenschicht gedacht war. Was die durchschnittliche Frau in den Jahren 1933-1945 tatsächlich trug, zeigt die Sonderausstellung des Historischen Museums auf einer Flaniermeile mit 40 Schneiderbüsten - vom verspielt romantischen Abendkleid bis zum schlichten Bürokleid. In einem weiteren Teil der Ausstellung wird das tragische Schicksal von alteingesessenen jüdischen Frankfurter Textilgeschäften und deren Inhabern in der NS-Zeit dokumentiert. Die Ausstellung ruft somit auch ins Gedächtnis, dass der Aufbau des „deutschen Modeschaffens“ im „Dritten Reich“ zugleich die Vernichtung des jüdischen Anteils in der Bekleidungsbranche bedeutete.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 11 vom 16.03.1999

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