Frankfurt hat dem Freiherrn viel zu verdanken

250. Geburtstag von Karl Freiherr vom und zum Stein am 25. Oktober

Bekannt ist er für die Reformen, die er im 19. Jahrhundert in Preußen umsetzte. Weniger geläufig ist seine Verbindung zu Frankfurt. Im Dezember 1813, nach dem Rückzug der napoleonischen Truppen, verlieh der Freiherr vom Stein der alten Reichsstadt die Selbstständigkeit wieder. Für seine Verdienste um die Freiheit Frankfurts ernannte man ihn 1816 zum Ehrenbürger.

Frankfurt am Main (pia) Der „Heimliche Kaiser“ residierte in ein paar möblierten Zimmern mitten in der Altstadt. Als Karl Freiherr vom Stein am 12. November 1813 in Frankfurt einzog, empfing man ihn nicht gerade mit offenen Armen. Es herrschten chaotische Zustände. Gerade erst von alliierten Truppen aus napoleonischer Herrschaft befreit, war die Stadt von Heeresdurchzügen, Einquartierungen und Lazaretteinrichtungen belastet und vom Fleckfieber bedroht. Vier Stunden lang irrten Steins Leute suchend durch die überfüllten Straßen, bis man ihnen endlich eine Unterkunft in der Buchgasse anbot. Dort etablierte Stein das „Zentraldepartement“ für die durch den französischen Rückzug befreiten Staaten des Rheinbunds, wozu auch das „Großherzogtum Frankfurt“ mit der Mainstadt als Zentrum gehörte. Der Reichsfreiherr, der an der Spitze jener provisorischen Verwaltung stand, erreichte innerhalb von nur einem Monat die Wiederherstellung von Frankfurts Selbstständigkeit. Für seine Verdienste um die Freiheit der Stadt wurde er drei Jahre später zum Ehrenbürger ernannt.

Vor 250 Jahren wurde Heinrich Friedrich Carl Reichsfreiherr vom und zum Stein in Nassau an der Lahn geboren. Das örtliche Kirchenbuch datiert seine Geburt auf den 25. Oktober, während die ältere Literatur meist den 26. und Steins Grabinschrift gar erst den 27. Oktober angibt. Allgemein bekannt ist „der“ Freiherr vom Stein durch die Reformen, die er in Preußen umsetzte. Vor allem das „Edikt zur Bauernbefreiung“ (1807) und die „Städteordnung“ zur Wiedererrichtung der kommunalen Selbstverwaltung (1808) trugen seine Handschrift. Weniger präsent ist Stein heute als europaweit agierender Politiker, der im Kampf gegen Napoleon auf das Ziel eines freien und einigen deutschen Staats hinwirkte. Dabei musste er sich zunehmend mit den restaurativen Kräften in den deutschen Staaten auseinandersetzen, die im eigenen Interesse für die Fortdauer der Zerstückelung Deutschland stritten.

Mit der Entscheidung über die Zukunft der alten Reichsstadt Frankfurt wollte Stein ein Zeichen auf seinem Weg zur Neuordnung Deutschlands setzen. Schon im Sommer 1813 hatten die antinapoleonischen Verbündeten unter Metternichs Führung geheime Verträge geschlossen, um die bisher französisch besetzten Territorien unter sich aufzuteilen. Weite Gebiete bis zur Mainlinie, darunter auch Frankfurt, sollten demnach an Bayern fallen. Den Verbündeten konnte es daher kaum passen, dass Freiherr vom Stein der Stadt Frankfurt in einem Handstreich im Dezember 1813 die alte Selbstständigkeit wieder verlieh und in einem zweiten im Juli 1814 eine neue Verfassung verordnete. Steins fortschrittlicher Verfassungsentwurf ging aber auch konservativen Kreisen in der Stadt zu weit, die sich allzu gern wieder in ihre alten „reichsstädtischen“ Vorrechte eingesetzt gesehen hätten. Gerade die Gleichstellung der Konfessionen, die schon in großherzoglicher Zeit eingeführt worden war, hätte die frühere lutherische Führungsschicht lieber rückgängig machen wollen.

Auf dem Wiener Kongress von 1815, als endgültig über die Neuordnung der europäischen Staaten entschieden wurde, stand Stein als Berater des Zaren eher am Rande. Die Frankfurter biederten sich jetzt Österreich an, das sie ja vor nicht allzu langer Zeit noch an Bayern „verschachern“ wollte. Mittels Bestechungsgeldern in Höhe von 70.000 Gulden soll einer der städtischen Gesandten letztlich Frankfurts Stellung als Freie Stadt und Sitz des Bundestags im Deutschen Bund erreicht haben. Freiherr vom Stein zog sich nach dem Wiener Kongress auf seine Güter zurück. Erst nach der Annahme der freistädtischen Verfassung 1816 besann sich Frankfurt auf seine Verdienste um den neuen Stadtstaat. Auf Initiative von Geheimrat Dr. Johann Wilhelm Metzler aus der mit dem Politiker befreundeten Bankiersfamilie wurde Karl Freiherr vom Stein am 28. November 1816 zum dritten Ehrenbürger der Stadt ernannt. Und er nutzte sein Bürgerrecht tatsächlich: Als Privatier verbrachte er die Wintermonate jetzt meist in Frankfurt.

Bei seinen Aufenthalten am Main verkehrte Freiherr vom Stein gern im Haus Brentano, wo er wohl auch Goethe und die Brüder Grimm traf, und zu seinen Bekannten zählten viele der „Frankfurter Romantiker“. Aus diesen Kreisen gründete Stein am 20. Januar 1819 die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“ in Frankfurt, die sich die Herausgabe aller deutschen Kaiser- und Königsurkunden sowie anderer reichsgeschichtlicher Quellen des Mittelalters zur Aufgabe stellte. Unter Steins Leitung wurden der Archivar Georg Heinrich Pertz als wissenschaftlicher Leiter und der Bibliothekar Johann Friedrich Böhmer als Geschäftsführer der Gesellschaft gewonnen. Nachdem Stein damit sein Jahrhundertprojekt in guten Händen wusste, löste er im Dezember 1824 seinen Frankfurter Haushalt auf. 1826 erschien der erste Band der „Monumenta Germaniae Historica“ (MGH), jenes Basiswerks für die deutsche Geschichtsforschung, das bis heute fortgesetzt wird. In Angelegenheiten der MGH kam Stein auch in späteren Jahren noch gelegentlich nach Frankfurt, zuletzt im Herbst 1830. Kein Jahr darauf, am 29. Juni 1831, starb Karl Freiherr vom Stein auf seinem westfälischen Gut in Cappenberg.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 41 vom 16.10.2007

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