Dichter des „Jungen Deutschlands“

Vor 200 Jahren wurde der Schriftsteller Karl Gutzkow geboren

In Frankfurt sind zahlreiche seiner Werke entstanden, und hier ist der Schriftsteller im Dezember 1878 bei einem Zimmerbrand gestorben. Karl Gutzkow war ein äußerst produktiver Journalist und Schriftsteller, einer der wichtigsten Autoren des Vormärz und führenden Köpfe des „Jungen Deutschlands“.

Frankfurt am Main (pia) Ein Buch, das er in Frankfurt schrieb, machte Karl Gutzkow schlagartig berühmt und berüchtigt. Im August 1835 veröffentlichte der damals in der Mainstadt lebende Schriftsteller den Roman „Wally, die Zweiflerin“. Darin scheitert die Titelheldin in ihrem Versuch einer religiösen und sexuellen Emanzipation, so dass sie am Ende nur den Ausweg im Freitod sieht. Umgehend lieferte der „Literaturpapst“ Wolfgang Menzel, Gutzkows früherer Freund und Förderer, eine bitterböse Kritik über dieses Werk und forderte gar die Regierungen direkt auf, gegen das unsittliche und gotteslästerliche, „undeutsche“ und „staatsgefährliche“ Machwerk vorzugehen. Der dadurch geschürte Skandal führte schließlich dazu, dass der Deutsche Bundestag in Frankfurt weitgehende Schreib- und Veröffentlichungsverbote gegen Gutzkow und andere Schriftsteller wie Heine, Wienbarg, Laube, Börne und Mundt verhängte. Erst durch diesen Bundestagsbeschluss vom 10. Dezember 1835 wurde aus den betroffenen Autoren eine literarische Gruppe: das „Junge Deutschland“.

Ein fast Vergessener

Vor 200 Jahren, am 17. März 1811, wurde Karl Ferdinand Gutzkow in Berlin geboren. Der fast Vergessene war einst ein äußerst produktiver Journalist und Schriftsteller, einer der wichtigsten Autoren des Vormärz und führenden Köpfe des „Jungen Deutschlands“, Förderer Büchners, erster Biograph Börnes und Widersacher Heines. Seine eigenen Werke sind heute nur noch wenig bekannt. Der Roman „Wally, die Zweiflerin“ (1835) wurde inzwischen zum „Meisterwerk des Kitsches“ (Wilmont Haacke) abgestempelt. Die späteren monumentalen Prosawerke in ihrer Vielschichtigkeit und „Verzahnung“ gelten zwar als Vorläufer moderner Erzählformen, konnten aber selbst durch so prominente Fürsprecher wie Arno Schmidt nicht wieder einem breiteren Leserkreis nahegebracht werden. Auf der dauernden Suche nach Anerkennung und Flucht vor Missachtung führte Gutzkow ein unstetes Leben, wurde selten länger sesshaft. Immer wieder kam er jedoch nach Frankfurt, wo er manchmal zu bleiben gedachte und schließlich auch starb.

Im Gefängnis in Mannheim

Erstmals lebte Karl Gutzkow seit Januar 1835 in Frankfurt, wo er seitdem das „Literatur-Blatt“ zur Zeitschrift „Phönix“ herausgab. Darin veröffentlichte er u. a. den Erstdruck von Büchners „Dantons Tod“. Nach einer zweieinhalbmonatigen Haft in Mannheim, die er infolge des Skandals um „Wally, die Zweiflerin“ verbüßen musste, kehrte der junge Schriftsteller im Februar 1836 nach Frankfurt zurück. Hier übernahm er die Redaktion der „Frankfurter Börsen-Zeitung“, dann ab Januar 1837 des „Frankfurter Telegraphen“. Mit diesem Blatt wechselte Gutzkow ein Jahr später zum Verlag Hoffmann und Campe nach Hamburg, wo er es unter dem neuen Titel „Telegraph für Deutschland“ bis 1842/43 weiter herausgab. Durch seine Frau, eine Frankfurter Kaufmannstochter, blieb Gutzkow weiterhin der Mainstadt verbunden, zumal die Eheleute manchmal getrennt voneinander leben mussten. Amalie, die von 1837 bis 1841 drei Söhne zur Welt brachte, wohnte dann im Haus ihrer Mutter in Frankfurt.

„Unsicher und mißtrauisch“

Vor allem in den 1840er Jahren hielt sich Gutzkow öfter und auch länger wieder in Frankfurt auf. Bereits am 15. Juli 1839 wurde hier sein erstes Theaterstück, das gesellschaftskritische Schauspiel „Richard Savage oder Der Sohn einer Mutter“, uraufgeführt. Von einem Besuch in der Mainstadt im Frühjahr 1845 berichtete der Schriftsteller Adolf Stahr allerdings, dass Gutzkow hier in ziemlicher „Isoliertheit“ dastehe, die ihn „unsicher und mißtrauisch“ mache: „[Er] bekümmert sich um jede, auch die geringfügigste Journalstimme und lebt so ewig in selbstquälerischer Aufmerksamkeit.“ Von den Frankfurtern hatte er nur wenig Anerkennung zu erwarten. Als einmal sein Stück „Das Urbild des Tartüffe“ zum Benefiz des Dichters im Stadttheater gegeben wurde, blieb das Haus fast leer.

Ein Lustspiel zu Ehren Goethes

1849 siedelte sich Gutzkow erneut in Frankfurt an, obwohl seine Frau Amalie inzwischen, infolge einer Frühgeburt im April 1848, verstorben war. Er heiratete dann in zweiter Ehe deren Kusine Bertha Meidinger, die als Tochter eines bekannten Buchhändlers ebenfalls aus Frankfurt stammte. Fast genau zehn Jahre nach seinem ersten Theaterstück wurde jetzt sein letztes ebenfalls in Frankfurt uraufgeführt: Zur Hundertjahrfeier von Goethes Geburtstag erschien das Lustspiel „Der Königsleutnant“ auf der Bühne des Stadttheaters. Gutzkow, der selbst eine Zeitlang schräg gegenüber dem Goethehaus im Großen Hirschgraben gewohnt hatte, gestaltete dafür einzelne Szenen aus Goethes Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ sehr frei dramatisch um.

Rast- und heimatlos

Während der folgenden, längeren Lebensstationen in Dresden und Weimar, u. a. als Mitbegründer und Generalsekretär der Deutschen Schillerstiftung, litt Gutzkow zunehmend an Verfolgungswahn. Eine hilflos unternommene Flucht endete im Januar 1865 mit einem Selbstmordversuch in einem Friedberger Hotel. Nach seiner vermeintlichen Heilung zog der Schriftsteller rast- und heimatlos, ständig den Wohnsitz wechselnd, umher. Im Herbst 1877 beschloss er erneut, sich in Frankfurt niederzulassen. In der Nacht zum 16. Dezember 1878 kam Karl Gutzkow bei einem Zimmerbrand in seiner Sachsenhäuser Wohnung ums Leben. Eine starke Dosis des Schlafmittels Chloral, berichtet sein Biograph Johannes Proelß, habe wahrscheinlich „seine Sinne umnebelt“, so dass er die Lampe umstieß und sein Bett Feuer fing. Drei Tage später wurde Gutzkow auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben.

Sabine Hock

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 03.03.2011

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